Self-Checkout-Kassen werden beliebter – haben aber Tücken

Das Prinzip hinter Self-Checkout-Kassen ist unkompliziert: Kunden scannen ihre Produkte selbst. Das soll den Einkauf beschleunigen, das Einkaufserlebnis verbessern und die Händler sollen auch noch Mitarbeiterkosten einsparen. Wie sich das System der Self-Checkout-Kassen (kurz: SCO-Kassen) in Deutschland entwickelt – und was die Investition kostet.

Text: Sarah Lohmann

„Diese Systeme erlebten während der Corona-Pandemie einen starken Schub. Inzwischen sind sie in allen Branchen auf dem Vormarsch“, sagt Imke Hahn zur Lage der Self-Service-Lösungen. Zusammen mit ihrem Kollegen Çetin Acar aus dem IT-Bereich des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI führte sie die Studie „POS-Systeme 2024 Evolution des Checkouts“ durch. Dabei untersuchten sie die Technologie der Kassensysteme am Point of Sale sowie die damit verbundene Investitionsstimmung der Händler. 49 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die insgesamt 58.100 Filialen verantworten, gaben für die Studie Rede und Auskunft.

Auf dem Vormarsch

Die Experten rechnen mit einer Zunahme der Self-Checkout-Kassen in den kommenden zwei Jahren. Dabei werde der Check-Out-Prozess immer differenzierter: Er reiche vom stationären Self-Checkout über das Self-Scanning mit dem Kunden-Smartphone oder der Hardware des Händlers bis hin zu Bezahlterminals für Scan & Go im völlig autonomen Store. Besonders bemerkenswert: 22 Prozent der Befragten gaben an, in Zukunft den Einsatz eines solchen Konzepts zu planen.

In Baumärkten hielten SB-Kassen sehr früh Einzug.

Knapp die Hälfte der Befragten äußerte allerdings Bedenken: Sie befürchten einen Inventurverlust durch den Self-Checkout. Weitere 29 Prozent schreckt ein möglicher Mangel der Kundenakzeptanz ab und weitere 24 Prozent glauben, für solche Terminals nicht ausreichend Platz im Kassenbereich zu haben. Für den Einsatz autonomer Konzepte sprechen vor allem die Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten und damit verbundene Zusatzumsätze sowie die Überbrückung von Personalengpässen.

14 Prozent der Befragten stimmten sogar der Aussage zu, dass die traditionelle Kasse im deutschsprachigen Handel ein Auslaufmodell sei. Ebenfalls ein großes Thema an der Kasse: KI-Lösungen. 39 Prozent der Befragten denken, dass sich diese an der Kasse etablieren werden – 14 Prozent arbeiten bereits aktiv an der Umsetzung. Dazu gehören KI-gestützte Systeme zur Produkterkennung, das Warteschlangenmanagement, personalisierte Angebote oder die Vermeidung von Inventurdifferenzen.

Andere Länder, anderes Bezahlen

In anderen Ländern ist man teilweise schon weiter als in Deutschland – mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Laut Imke Hahn seien SCO-Systeme zum Beispiel in Japan bereits in Restaurants gut etabliert, auch in kleineren. Der Gast kann dort seine Bestellung aufgeben und an einem Automaten bezahlen. Seit der Pandemie seien auch in Lebensmittelgeschäften und Supermärkten Self-Checkout-Systeme verstärkt im Einsatz.

In Japan gehören SB-Kassen in Geschäften und Restaurants zum Alltag.

Was sich in Japan bewährt hat, funktioniert in den USA und Großbritannien dagegen weniger gut, wie die britische BBC im Januar 2024 unter dem Titel „Das spektakuläre Scheitern der Self-Checkout-Technologie“ berichtete. Darin heißt es, dass das Konzept verlockend klinge: Der Flaschenhals, den die Kasse bildet, werde dadurch verbreitert, der gesamte Bezahlprozess beschleunigt. In der Praxis seien laut BBC die Erwartungen jedoch enttäuscht worden: Es sei weiterhin Personal nötig, um beim Bedienen der Self-Service-Automaten zu helfen – das Handling sei nicht so einfach wie gehofft. Außerdem müssten häufig Fehler behoben und die Ausweiskontrolle bei altersbeschränkten Produkten weiterhin vorgenommen werden. Ein großes Problem seien darüber hinaus Diebstähle.

Mensch vs. Maschine

Hierzulande herrscht ein anderes Bild, wie das Beispiel Rewe zeigt. 850 SCO-Kassen sind derzeit in den Filialen im Einsatz und besonders in städtischen Gebieten gefragt. Sie ermöglichen den Kunden eine schnellere Bezahlung, besonders bei kleineren Einkäufen. Überall auf solche SCO-Kassen zu setzen, plant REWE jedoch nicht.

Auf den Zug aufspringen wird nun auch Lidl: derzeit werden unterschiedliche Checkout-Konzepte getestet, darunter SCO-Kassen sowie Scan & Go per Smartphone und der Lidl-App. Auch hier werden klassische Bedienkassen erhalten bleiben. Neben den genannten Vorteilen bieten die SCO-Konzepte laut Kaufland auch Vorteile für die ältere Generation – diese nutze häufig SB-Terminals, weil sie so die Möglichkeit hätten, ganz in Ruhe und ihrem eigenen Tempo entsprechend einzukaufen.

Bereits fortgeschritten ist der Einsatz der Self-Service-Kassen im Non-Food-Handel: Im Fachmagazin „Stores + Shops“ des EHI heißt es, dass 650 von 2000 Baumärkten bereits auf SB-Terminals setzen – damit weist die Branche die größte Dichte an SB-Kassen auf. Und das scheint auch andere Non-Food-Unternehmen anzuspornen: Ende 2023 waren in den DM-Drogeriemärkten 250 Filialen mit einer SB-Station ausgestattet und ein Viertel der Rossmann-Niederlassungen.

Auch der Buchhändler Thalia hat 2023 nachgelegt. Von den rund 500 Läden im deutschsprachigen Raum betreiben seit dem vergangenen Jahr etwa 220 Niederlassungen rund 430 SB-Bezahlstationen. Stephanie Spurzem, Head of Sales Support bei Thalia, ist überzeugt: „SB-Kassen entlasten im Tagesgeschäft und bringen mehr Zeit für die buchhändlerische Kundenberatung.“

Die Mischung machts

Doch was lief in den USA und Großbritannien schief und warum erweisen sich SCO-Kassen in Deutschland als erfolgreich? Antworten liefert unter anderem der Fall Dollar General. Die US-amerikanische Warenhauskette hatte die Self-Checkout-Stationen im Jahr 2022 auf etwa 19.000 Geschäfte ausgeweitet. Heute räumt Todd Vasos, CEO von Dollar General, gegenüber der Scioto Post ein, dass man sich zu abhängig von den Systemen gemacht habe. Er empfiehlt, dass Bedienkassen weiterhin an erster Stelle stehen sollten – SCO-Kassen müssten eher als sekundäre Bezahlmöglichkeit eingesetzt werden.

Die kostengünstigste Variante: Der Kunde scannt den Preis selbst – allerdings besteht hier die Gefahr von Diebstählen.

Bei Dollar General wird jetzt wieder in Arbeitskräfte investiert – eine höhere Mitarbeiterpräsenz auf der Fläche könne, so die Hoffnung, auch den Diebstählen entgegenwirken. Der Schlüssel scheint darin zu liegen, Menschen und Maschine miteinander zu kombinieren, um an den Stellen für Entlastung am POS zu sorgen, wo sie gebraucht wird. Das ist bereits der Kurs, der in Deutschland gefahren wird und mit ein Grund, warum das Konzept hier erfolgreicher ist.

Was kostet das SCO-System?

Wer jetzt über eine Umrüstung nachdenkt, muss zunächst investieren. In einem Whitepaper zum Thema Handelsmanagement der Dualen Hochschule Baden-Württemberg heißt es: „Ein Block von vier SCO-Kassen kostet etwa 77.000 Euro, zuzüglich etwa 10.000 Euro jährliche Reparatur-, Wartungs- und Lizenzkosten. Händler, die SCO-Kassen anbieten, erreichen mit diesen einen Umsatzanteil von circa 20 Prozent an allen Kassenvorgängen.“

Wesentlich geringere Investitionskosten fallen für den Handel bei der Nutzung des mobilen Self-Scanning per App an. Auf Nachfrage erklärte Imke Hahn gegenüber dem S-Cashback-Magazin: „In welcher Ausprägung sich der Seamless Checkout inklusive Self-Checkout-Scanning in der Praxis durchsetzen wird, hängt stark von Branche, Standort, Kundenakzeptanz und am Ende von der Wirtschaftlichkeit ab. Wir erwarten laut unseren Ergebnissen im Rahmen der Studie „Technologie Trends 2023“ in den nächsten Jahren Entwicklungen, die die Automatisierung des Checkout-Prozesses weiter beschleunigen.“

Für den Start mit SCO-Systemen rät die Expertin: „Es ist empfehlenswert, genau darauf zu achten, ob die Produkte und der Standort sich für diese Konzepte eignen. Die Lösungen sollten erprobt und immer wieder optimiert werden. Zudem sollte man auch stets alternative Checkout-Systeme zur Verfügung stellen und nicht mit der Brechstange rangehen.“

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Fotos: Adobe Stock, Ikea, DM

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