Bequem einkaufen, Zeit sparen, nahtlose Übergänge zwischen analog und digital schaffen – dabei helfen innovative Technologien, bei dessen Implementierung einige Händler mutig vorangehen.
Text: Sarah Lohmann
Langes Warten an der Kasse, gestresste Mitarbeiter, schlechte Warenverfügbarkeit – das sind gängige Probleme, die dafür sorgen, dass die Frequenz auf der Fläche stationärer Geschäfte weiter sinkt. In fast allen Branchen sind Investments in digitale Lösungen gefragt, um den gestiegenen Verbraucheransprüchen gerecht zu werden. Der kluge Store 4.0 schafft außerdem einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil.
KI denkt mit
Anwendungen, bei denen künstliche Intelligenz eingesetzt wird, sind auf dem Vormarsch. So setzt der belgische Lebensmitteleinzelhändler Colruyt auf automatisierte Warenerfassung durch smarte Systeme, was Mitarbeiter und Kunden entlastet und den Registrierungsprozess um 20 Prozent beschleunigen soll. Das System ist simpel: Oberhalb der Kasse erfasst eine KI-basierte Kamera die Produkte, die von den Angestellten von einem Einkaufswagen in den anderen sortiert werden. Dabei erkennt die Kamera durch Analyse des Bilds und Verarbeiten des Barcodes bereits bis zu 85 Prozent der Waren. Kassenlaufbänder gibt es in diesen Filialen nicht mehr und die Produkte müssen nicht zuerst aus- und anschließend vom Kunden wieder eingeräumt werden. Eine Ausnahme: Obst und Gemüse – das Abwiegen kann das System nicht leisten.
Ein weiterer Clou bei Colruyt ist der sogenannte „Smart Cart“ – ein intelligenter, KI-gestützter Einkaufswagen, der seit Anfang März durch einige Marktgänge rollt. Kunden scannen beim Einkaufen ihre Produkte selbst und der Wagen prüft mittels intelligenter Sensoren, ob die Produkte korrekt registriert wurden. Die Informationen werden anschließend auf das im Griff des Einkaufswagens integrierte Tablet geladen. Damit nicht genug: Der Kunde hat auch die Möglichkeit, auf eine Einkaufliste zuzugreifen, die der Wagen fortlaufend aktualisiert.
Derzeit handelt es sich beim Smart Cart um einen Feldversuch mit Colruyt-Mitarbeitern – im Laufe des Jahres wird evaluiert, ob ein Test mit Kunden durchgeführt werden kann. Der Smart Cart soll später auch dabei helfen, Artikel in der Filiale zu finden oder Rabatte zu bewerben. „Es wird irgendwann möglich sein, diesen Einkaufswagen als Kommunikations- und Interaktionskanal mit dem Kunden zu nutzen“, stellt Jo Willemyns, COO Retail bei Colruyt in Aussicht.
Offline und online Hand in Hand
Colruyt war nur einer der Gewinner bei den Reta Awards im Februar 2024. Mit diesem Preis wurden technologische Innovationen im Handel ausgezeichnet. Unter anderem erhielt auch Edeka Südwest einen Preis – in der Kategorie Beste Connected-Retail-Lösung Solution, auch als Multichannel-Lösungen bekannt. Edeka Südwest erhielt den Preis für die Entwicklung eines innovativen Shop-Ökosystems, das verschiedene Multichannel-Aktivitäten für selbstständige Einzelhändler abdeckt. Das System umfasst vier Bereiche: Click & Collect, die Belieferung von Endverbrauchern, 24/7-Stores sowie einen Drive-in.
Frankreichs größte Baumarktkette Leroy Merlin France wurde dafür ausgezeichnet, die Vorteile des Online-Handels im Ladengeschäft umzusetzen. Die Kunden kommen in den Baumärkten dank smarter Navigation und Produktsuche mittels elektronischer Etiketten schneller zum gewünschten Produkt. Dabei hilft eine mobile Anwendung. Die Etiketten sind mit der E-Commerce-Website, den Preisinformationen des Produkts sowie den Kundenbewertungen verknüpft – eine kluge Lösung, um die Kluft zwischen digitalem Einkaufen und physischem Store zu schließen.
Einkauf im mobilen Würfel
Doch nicht nur klassische Einzelhändler punkten mit technologischen Neuheiten. Auch der Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt spielt in dieser Liga mit. Und zwar mit einem würfelförmigen, gerade einmal 30 Quadratmeter großen und mit viel Glas versehenen Pop-Up-Store. Er wurde bereits 2022 eröffnet und bietet dank Grab-&-Go-Technologie eine neue Einkaufserfahrung. Denn wer sich in dem futuristisch anmutenden Laden seine Wunsch-Produkte ausgesucht hat, kauft quasi im Vorbeigehen. Die Artikel werden durch einen U-förmigen Scanner geführt und automatisch mittels RFID-Chip erkannt. Danach wird kontaktlos mit Smartphone oder Karte bezahlt.
Schön ist außerdem die Einfachheit der Umsetzung. Laut Eintracht-Technologiepartner Payfree kann der Pop-up-Store einfach auf- und abgebaut werden, lediglich Strom und Internet seien notwendig. Zudem benötige die Kasse lediglich zwei Quadratmeter Fläche.
Der Chatbot, der wirklich mitarbeitet
Auch in der digitalen Kommunikation bieten KI-Systeme neue Möglichkeiten – etwa durch Chatbots, die viele Firmen schon einsetzen. Ein gutes Beispiel hierfür bietet die Würth-Gruppe, Marktführer bei Montage- und Befestigungsmaterial. Würth hat gemeinsam mit der Würth IT den Sprach- und Chatassistenten Pico entwickelt, der unter anderem bei administrativen Aufgaben hilft, wie dem Versand von Rechnungen oder Lieferscheinen.
Außerdem verarbeitet Pico Benutzeranfragen in Echtzeit und stellt die darauf basierenden Informationen und Dokumente per Sprache und Chat bereit. Jens Neumann, Geschäftsführer Vertriebssteuerung bei der Würth, erklärt: „Mit Pico gewinnen unsere Mitarbeitenden im Außen- und Innendienst Freiräume, um besser und effizienter auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen zu können“. Pico lernt noch – zukünftig soll er auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen, zum Beispiel in der HR oder der Logistik.
Fotos: Edeka Südwest/Thomas Schindel, Colruyt, Payfree