In unserer schnelllebigen und anspruchsvollen Arbeitswelt ist eines sicher: Fehler passieren. Doch wie reagieren wir darauf? Während einige sie als unverzeihliche Schwächen betrachten und versuchen sie um jeden Preis zu vermeiden, gibt es eine Bewegung, die Fehler als eine Quelle der Stärke und des Wachstums betrachtet. Wir erklären, warum es gut ist, auch mal Fehler zu machen und wie Sie in Ihrem Unternehmen eine positive Fehlerkultur etablieren.
In manchen Branchen können Fehler Menschenleben kosten, zum Beispiel in der Flugzeugindustrie. Wer hier vergisst eine Schraube anzuziehen, kann eine Katastrophe auslösen. Doch selbst in den sogenannten High-Risk-Organisationen wie Flugverkehr, Industrieanlagen und Krankenhäusern hat sich seit etwa 20 Jahren eine neue Sicht auf Fehler etabliert: Es wird akzeptiert, dass sie passieren. Und daraus wird eine erhöhte Achtsamkeit abgeleitet, aber auch ein neues Fehlermanagement. Den Rahmen für diesen neuen Umgang mit Fehlern bildet die positive Fehlerkultur. Sie geht weit über die Akzeptanz oder das Vergeben von Fehlern hinaus. Misserfolge werden nicht als Rückschläge angesehen, sondern als Teil des Weges in die Zukunft. Eine positive Fehlerkultur schafft also eine Umgebung, in der das Scheitern nicht nur akzeptiert, sondern sogar begrüßt wird. Denn wie heißt es so schön im Volksmund: Aus Fehlern kann man lernen. Und wie!
Warum Fehler nicht immer schlecht sein müssen
1. Lernen und Entwicklung
Fehler sind oft die besten Lehrer. Indem wir aus unseren Fehlern lernen, können wir persönlich und beruflich wachsen. Eine positive Fehlerkultur ermutigt dazu, Fehler als Chance zur Weiterentwicklung zu betrachten.
2. Neue Ideen und Innovationen
Viele bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen sind das Ergebnis von Fehlern und Misserfolgen. Ein Unternehmen, das eine positive Fehlerkultur fördert, ermutigt seine Mitarbeiter, Risiken einzugehen und neue Ideen auszuprobieren, ohne Angst vor Strafen oder Zurückweisung haben zu müssen.
3. Vertrauen und Zusammenarbeit
In einer Umgebung, in der Fehler offen diskutiert und als normale Bestandteile des Arbeitsprozesses betrachtet werden, entsteht Vertrauen zwischen den Teammitgliedern. Dies fördert eine Kultur der Zusammenarbeit und Offenheit, in der Ideen frei ausgetauscht und gemeinsam Lösungen entwickelt werden können.
4. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Unternehmen mit einer positiven Fehlerkultur sind flexibler und anpassungsfähiger gegenüber Veränderungen. Indem Fehler als Chancen zur Anpassung betrachtet werden, kann schnell auf neue Herausforderungen reagiert werden.
5. Motivation und Engagement
Mitarbeiter, die sich in einer Umgebung befinden, in der ihre Fehler akzeptiert und respektiert werden, sind motivierter und engagierter. Sie fühlen sich wertgeschätzt und ermutigt, ihr Bestes zu geben, anstatt sich zurückzuhalten.
Der richtige Umgang mit Fehlern
Doch wie etabliert man nun eine neue, positive Fehlerkultur? Das sind die wichtigsten Schritte.
1. Fehler analysieren
Nehmen Sie sich Zeit und prüfen Sie, wie bislang mit Fehlern in Ihrem Unternehmen umgegangen wird. Wie werden sie gemeldet? Wer behebt sie? Wer (oder was) ist für den Fehler verantwortlich? Was war die Ursache? Haben Mitarbeiter vielleicht Angst, Fehler einzugestehen? Es geht im ersten Schritt also nicht nur um das Offensichtliche, sondern den tieferen Blick „hinter die Kulissen“.
2. Feste Prozesse etablieren
Etablieren Sie feste Prozesse, um auch kleinere Fehler schnell zu identifizieren und sichtbar zu machen. Der Prozess sollte ganz unkompliziert und ohne Schuldzuweisung ablaufen. Am besten über ein vorgefertigtes Meldeformular, auf dem neben dem Fehler bereits Ideen zur Ursache und Vermeidung festgelegt werden können. Außerdem kann ein Ampelsystem als Status-Reporting helfen, um ein gemeinsames Verständnis für „rot (Fehler) – gelb (in Bearbeitung) – grün (gelöst)“ zu entwickeln.
3. Belohnungssystem einführen
Damit Mitarbeiter ermutigt werden, auf Fehler aufmerksam zu machen, lohnt es sich ein Belohnungssystem einzuführen. Selbst wer Fehler macht, kann also gelobt werden, wenn diese nicht fahrlässig oder vorsätzlich gemacht wurden, sondern dabei helfen, die Abläufe zu verbessern.
4. Testläufe machen
Vor der Einführung einer neuen Fehlerkultur sollten Sie das System in einem Teilbereich Ihres Unternehmens ausprobieren, zum Beispiel in einer kleinen Abteilung oder einem Team. So können Sie testen, ob die Prozesse funktionieren.
5. Mitarbeiter schulen
Die Umsetzung einer positiven Fehlerkultur braucht Zeit, und Sie sollten Ihre Mitarbeiter entsprechend schulen. Sie können in Workshops lernen, wie die Fehlermeldung als Prozess funktioniert. Solche Austauschformate zum gemeinsamen Lernen aus Fehlern können übrigens auf allen Ebenen nützlich sein.
Fazit: Insgesamt trägt eine positive Fehlerkultur nicht nur zum Wachstum und Erfolg eines Unternehmens bei, sondern auch zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit seiner Mitarbeiter. Indem wir Fehler nicht als Hindernis, sondern als Möglichkeit betrachten, können wir gemeinsam bessere Lösungen finden und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung schaffen. Überhaupt keine Fehler zu machen, wäre in der Tat sehr traurig, denn „Wer noch nie einen Fehler gemacht hat, hat sich noch nie an etwas Neuem versucht.“ (Albert Einstein)
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