Digitale Marketingstrategien haben in den letzten Jahren immer mehr an Relevanz gewonnen. Die online verfügbaren Datenmengen ermöglichen die präzise Selektion von Zielgruppen – und deren Ansprache mit personalisierten Werbeanzeigen. Eine Strategie mit Potenzial für höhere Umsätze.
Text: Sarah Hörmann
Sonntagabend. Ein einzelnes Sofa steht in einem Meer überquellender Umzugskisten. Nach einem anstrengenden Tag voller Kisten schleppen, Möbel aufbauen und Putzen plumpst Philipp auf die kleine Couch in seiner ersten eigenen Wohnung. Jetzt erstmal etwas auf Instagram scrollen, um sich vom Umzugsstress zu erholen. Und direkt: eine Anzeige für einen Wohnzimmerschrank. Gleich danach: ein Couchtisch, perfekt für sein noch sehr leeres Wohnzimmer. Dann kann seine Clique auch Getränke und Snacks abstellen bei der Einweihungsparty – also ab in den Warenkorb!
Warum personalisierte Werbung wirkt
Weil Philipp vor seinem Umzug bereits im Web nach Einrichtungsgegenständen gesucht und entsprechende Websites aufgerufen hat, spielt sein Algorithmus direkt Angebote für Möbel in seinen Feed. Ob auf Social Media, in Suchmaschinen oder direkt in Online-Shops – personalisierte Werbung ist längst fester Bestandteil des digitalen Marketings. Und das mit Erfolg: Laut einer Studie des IT-Verbands zum Wertbetrag des digitalen Marketings haben 54 Prozent der Deutschen mindestens einmal ein Produkt online gekauft, nachdem sie eine personalisierte Anzeige gesehen oder gehört haben. 44 Prozent gingen aufgrund personalisierter Werbung sogar in ein Geschäft vor Ort.
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Personalisierte Werbung ist heute ein essenzielles Instrument für Händler, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Wer auf datengetriebene Strategien und KI-gestützte Lösungen setzt, kann seine Kunden gezielt ansprechen, die Conversion-Rate steigern und langfristig höhere Umsätze erzielen. „Personalisierte Werbung ist für die Kundinnen und Kunden oft interessanter und für die Unternehmen effektiver als herkömmliche, nicht-personalisierte Werbung“, sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitkom. Obwohl knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten glauben, dass personalisierte Werbung kleinen Unternehmen durch vergleichsweise geringe Kosten hilft, wettbewerbsfähig zu bleiben, bleibt die Haltung der Verbraucher zu dem Thema insgesamt gespalten.
Wahrnehmung bei Konsumenten
Während viele Nutzer personalisierte Anzeigen als nützlich empfinden, insbesondere bei alltäglichen Produkten wie Lebensmitteln und Getränken (36 Prozent) oder Kleidung und Accessoires (35 Prozent), gibt es auch kritische Stimmen. Als besonders störend wird Werbung für teure oder sensible Produkte bewertet – dazu gehören insbesondere Immobilien (43 Prozent). Trotzdem zeigt ein Blick auf die bevorzugt genutzten Webseiten, dass die Mehrzahl an Nutzern bei kostenfreien Inhalten Werbung in Kauf nimmt: Nur 16 Prozent der Befragten bevorzugen kostenpflichtige Webseiten ohne Werbeinhalte.
Doch nicht nur die Werbung wird auf Verbrauchergruppen zugeschnitten, auch die Preisangebote selbst variieren. Händler können Algorithmen nutzen, um Preisstrategien auf individuelle Kundenprofile abzustimmen, basierend auf Faktoren wie Kaufverhalten, Standort oder vorherigen Interaktionen. Dies birgt auch Vorteile für Konsumenten, etwa durch exklusive Rabatte oder maßgeschneiderte Sonderangebote.
Bei vielen Verbrauchern ist diese Strategie bereits bekannt – und wird genutzt, um Vorteile zu sichern. 43 Prozent der Befragten haben bereits Preise auf einem anderen Gerät oder in einem anderen Browser verglichen und 38 Prozent versuchen, mit verschiedenen Suchanfragen einen günstigeren Preis zu erzielen.
Die Rolle von Künstlicher Intelligenz
Ein entscheidender Treiber der personalisierten Werbung ist Künstliche Intelligenz (KI). Sie ermöglicht den gezielteren Einsatz von Ressourcen über alle Kanäle des digitalen Marketings hinweg. Sprachmodelle wie ChatGPT haben bei der Erstellung von Inhalten wie Texten, Bildern, Musik und Videos bereits ihren festen Platz. Außerdem können Ressourcen durch KI über alle Kanäle des digitalen Marketings hinweg gezielter eingesetzt werden.
Für personalisierte Werbung bedeutet das eine präzisere Zielgruppenanalyse, automatisierte Kampagnenoptimierung und sogenannte Hyperpersonalisierung: „Die nächste Stufe des digitalen Marketings. Mithilfe von Echtzeit-Daten oder präzisen Verhaltensanalysen können Inhalte und Angebote noch genauer auf die Kundinnen und Kunden zugeschnitten werden“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder. So kann individuell angepasste Werbung in Echtzeit an die Verbraucher gebracht werden – dies steigert nicht nur die Relevanz der Anzeigen, sondern reduziert auch Streuverluste.
Für die personalisierte Online-Werbung bedeutet künstliche Intelligenz zukünftig vor allem eines: Hyperpersonalisierung. Durch KI ist ein höchst präziser Zuschnitt von Anzeigen möglich. Rohleder: „Hyperpersonalisierung ist die nächste Stufe des digitalen Marketings. Mithilfe von Echtzeit-Daten oder präzisen Verhaltensanalysen können Inhalte und Angebote noch genauer auf die Kundinnen und Kunden zugeschnitten werden“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder.
KI-Experten sind gefragt
Dementsprechend ändern sich auch die Stellenprofile im digitalen Marketing. So werden KI-Spezialisten bereits heute stark nachgefragt: Rund jede zehnte Stellenanzeige im Marketing verlangt explizit nach KI-Skills und verwendet Schlüsselworte wie „KI“, „ChatGPT“ oder „Prompt“ (8 Prozent). In den Stellenanzeigen von Unternehmen mit 501 bis 1000 Mitarbeitenden sind es sogar bereits 14 Prozent, die das Schlagwort „KI“ beinhalten. Es entstehen zudem neue Berufsbilder wie KI-Trainer oder Datenethiker, und Marketingfachkräfte werden nicht mehr umhinkommen, zumindest grundlegende KI-Fähigkeiten zu beherrschen.
„Für Neu- und Wiedereinsteiger im digitalen Marketing werden Kompetenzen im Umgang mit KI in den nächsten Jahren unabdingbar. Die entsprechenden Anwendungen werden menschliche Fachkräfte im Regelfall nicht ersetzen, sondern in ihrer Arbeit unterstützen und sie so produktiver machen“, so Rohleder. Klassische Qualifikationen und Eigenschaften wie ein Studium (38 Prozent), Berufserfahrung (34 Prozent), Social Media (31 Prozent), SEO (Suchmaschinenoptimierung, 25 Prozent) oder Kreativität (20 Prozent) bleiben trotzdem wichtig.
Fotos: Adobe Stock