So klappt die Inklusion im Unternehmen

Qualifizierte Mitarbeitende zu finden, ist in Zeiten des Fachkräftemangels gar nicht so einfach. Ein Grund mehr für Unternehmen, ein inklusives Betriebsklima zu schaffen. Das Ziel: Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen sich gleichberechtigt und wertgeschätzt fühlen – unabhängig von Hautfarbe, Geschlechtszugehörigkeit, Sprache oder etwaigen Einschränkungen. Was das für Betriebe bedeutet.

Text: Sarah Lohmann

Betriebe ab monatlich mindestens 20 Mitarbeitenden sind laut Sozialgesetzbuch verpflichtet, mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten Menschen zu besetzen. Alternativ wird eine Ausgleichsabgabe fällig. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren 2021 insgesamt 1,11 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung sozialversicherungspflichtig beschäftigt, was bedeutet, dass etwa 39 Prozent der Arbeitgeber dieser Pflicht nachgekommen sind. Um die Zahl zu erhöhen, trat am 1. Januar 2024 das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes in Kraft – eine wichtige Änderung ist, dass sich die Ausgleichsabgabe erhöhen wird. Der erhöhte Beitrag ist erstmal zum 31. März 2025 zu zahlen.

Inklusion für alle

Die Facetten von Inklusion gehen allerdings über den Faktor Behinderung hinaus: Immer wieder erleben zum Beispiel ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, junge Eltern und im Speziellen junge Mütter, dass ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert wird. Dabei stellen Betriebe häufig fest: Je bunter die Belegschaft, desto vielfältiger die Ideen, Vorschläge, Sichtweisen und Entscheidungen. Das macht Unternehmen oft interessanter, abwechslungsreicher und sogar erfolgreicher am Markt.

Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund stellt viele Firmen vor Herausforderungen, bietet aber großes Potenzial.

Hinter der Inklusion steht die Forderung, jedem Menschen zu ermöglichen, wie selbstverständlich an der Gesellschaft teilzunehmen. Arbeitgeber können dies erfüllen, indem sie Barrieren abbauen – auf baulicher Ebene sowie in den Denkmustern ihrer Beschäftigten. Allerdings sind bauliche Anpassungen mit Kosten verbunden – hilfreich und sinnvoll ist, die barrierefreie Gestaltung der Umwelt als Steigerung des Komforts für alle zu betrachten.

Barrierefreiheit im Detail

Welche Anpassungen das konkret sind, erfahren Unternehmer in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR V3a.2). Im Grunde ist der Arbeitsplatz wie ein Puzzle zu verstehen. Das Regelwerk hilft dabei, die einzelnen Teile richtig zusammenzufügen, um einen Ort zu schaffen, der sicher und barrierefrei ist.

Los geht das mit der Zugänglichkeit – Eingänge und Wege sollten kein Hindernisparcours sein. Sie müssen stufen- und schwellenfrei oder durch Rampen erreichbar, die Türen ausreichend breit und leicht zu öffnen sein. Im Gebäude selbst sorgt eine kontrastreiche, ausreichend hell beleuchtete Fläche dafür, dass sich alle gut zurechtfinden. Und weil sich Menschen in der Regel visuell oder auditiv orientieren, müssen Zeichen nach dem Zwei-Sinne-Prinzip installiert werden. Das bedeutet, ein visuelles Zeichen soll um auditive Signale oder ein taktiles Leitsystem ergänzt werden.

Rampen ermöglichen vielen Menschen den Zugang. Doch sie müssen richtig gestaltet sein.
Rampen ermöglichen vielen Menschen den Zugang zum Unternehmen. Doch sie müssen richtig gestaltet sein.

Am Arbeitsplatz selbst helfen höhenverstellbare Schreibtische und Stühle nicht nur Menschen mit Einschränkungen – sie lassen sich perfekt an die Körpergröße anpassen, was für eine verbesserte Haltung sorgt. In Sachen Technik unterstützen spezielle Eingabegeräte: Sondertastaturen, Mausersatzgeräte oder Spezialmäuse, Joysticks, Augensteuerung oder Spracherkennung und Bildschirmvergrößerung. An Arbeitsstätten, die öffentlich zugänglich sind, stellt das Bauordnungsrecht der Länder auch dann Anforderungen an die Barrierefreiheit, wenn dort keine Menschen mit Behinderungen beschäftigt sind. Diese sind in der DIN 18040-1 festgeschrieben.

Homeoffice als Lösung

Übrigens: Auch Homeoffice kann Inklusion fördern. Hierzu hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine umfassende Studie veröffentlicht. Darin heißt es, dass das Homeoffice für mobilitätseingeschränkte oder behinderte Menschen oft eine Voraussetzung darstellt, um überhaupt arbeiten zu können. Auch Personen mit unsichtbaren Behinderungen wie Rheuma, Diabetes oder Depression können von Homeoffice profitieren, indem sie über mehr Autonomie und Flexibilität verfügen – etwa in Bezug auf Pausenzeiten, Arztbesuche oder die Einnahme von Medikamenten.

Eine andere IW-Studie ermittelte 2021 außerdem, dass sich Beschäftigte mit Behinderungen, die teilweise oder ausschließlich außerhalb des Betriebs arbeiten, beispielsweise im Homeoffice, besser im Job integriert fühlen. Um dennoch soziale Kontakte zu ermöglichen, können ergänzend zum Homeoffice sogenannte „Third Places“ sinnvoll sein. Nach dem Soziologen und Stadtentwicklungsforscher Ray Oldenburg sind damit öffentliche Orte in der Nachbarschaft wie Cafés, Biergärten, Gemeindezentren oder Bibliotheken gemeint, an denen sich Bekannte und Unbekannte austauschen.

Auch ein Kopftuch am Arbeitsplatz sollte kein Problem darstellen.

Heute sind das im beruflichen Kontext beispielsweise Coworking-Spaces, an denen Menschen zusammenarbeiten und durch die idealerweise das Pendeln entfällt. Diese sind meist schon barrierefrei gestaltet und technisch bestens ausgestattet. Natürlich können auch informelle Orte wie Cafés fürs Arbeiten genutzt werden – hier ist allerdings in der Regel nicht von optimalen ergonomischen und technischen Voraussetzungen auszugehen.

Bewusstsein schaffen

Wenn alle erforderlichen baulichen Veränderungen realisiert oder eine sinnvolle Homeoffice-Regelung getroffen wurden, ist es Zeit für eine Bewusstseinsänderung – um Inklusion zu leben, kann es notwendig sein, auch an den Denkmustern zu arbeiten, Vorbehalte abzubauen und die Perspektive zu verändern. Ein erster Schritt: Jobangebote sollten inklusiv formuliert werden. Etwa mit Hinweisen wie: „Wir glauben an die Kraft der Vielfalt und Inklusion, weshalb wir das Ziel verfolgen, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter beste Leistungen erzielen kann“.

Viele Unternehmen setzen auch auf Humor und Lockerheit, um Hemmnissen entgegenzuwirken. Ein Beispiel: „Vielfalt ist das Geheimrezept unseres heldenhaften Teams, deshalb geht’s uns nur darum, mit welchen Superkräften du unser Unternehmen bereicherst.“ Inzwischen fast schon üblich ist der abschließende Passus: „Wir feiern Vielfalt. Bewerbungen von Menschen jeden Alters, Geschlechts, mit oder ohne Behinderung und jeder sexuellen Orientierung, sind bei uns herzlich willkommen.“ Falls es eine Inklusionsbeauftragte oder einen Inklusionsbeauftragten gibt, kann dieser direkt angegeben werden, um Fragen zur Barrierefreiheit im Vorfeld zu beantworten.

Spielerisches Kennenlernen

Was das Personal betrifft, helfen Schulungen, Workshops und Trainings, in denen die Belegschaft lernt, warum Inklusion wichtig ist, wie sie im Unternehmen gelebt wird und wie die Kommunikation respektvoll und auf Augenhöhe gestaltet werden kann. Ein zentraler Baustein ist Offenheit: Möglicherweise hegen bestimmte Personen implizite Vorurteile; offene Gespräche unterstützen dabei, Ressentiments abzubauen. Druck oder die Androhung von Strafen sollten vermieden werden – Inklusion soll Spaß machen, Aufklärung ist das A und O.

Ein gemeinsamer Kochkurs trägt zur Integration bei.

Wer dies vorantreiben möchte, kann das Thema spielerisch angehen: Wie wäre es mit Kochkursen, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gerichte aus verschiedenen Kulturen zubereiten und dabei etwas über die Geschichte der Länder lernen. Eine Möglichkeit ist auch, ein Inklusions-Speed-Dating zu veranstalten. Dabei werden kurze Gespräche in rotierender Besetzung zu verschiedenen Inklusionsthemen geführt, um unterschiedliche Perspektiven und neue Erkenntnisse zu sammeln. Ein Inklusions-Quiz kann beim spielerischen Lernen helfen; und beim Storytelling-Workshop können sich die Beschäftigten persönliche Geschichten über Herausforderungen und Erfolge im Bereich der Inklusion erzählen – so werden Empathie und Gemeinschaftsgefühl gestärkt.

Alle, die die ersten Schritte gehen möchten, finden in Deutschland verschiedene Fördermöglichkeiten, Beratungsstellen und Unterstützungsangebote. Hierfür kommen Arbeits- und Inklusionsämter oder Industrie- und Handelskammer in Frage. Der Förderfinder von Rehadat, einer Plattform zum Thema Arbeitsleben und Behinderung, zeigt außerdem, welche Leistungen zum individuellen Bedarf passen. Zudem wurden inzwischen die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber geschaffen – hier findet man anhand der Postleitzahl Ansprechpartner.

Fotos: Adobe Stock

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