Über 80.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte für E-Autos gibt es bereits in Deutschland. Etwa ein Sechstel davon betreibt nach Verbandsschätzungen der Einzelhandel. Die Zahl wird zunehmen, auch weil für immer mehr Geschäfte Ladesäulen verpflichtend werden. Die sind zwar teuer – teilweise können aber Fördermittel beantragt werden.
Bis 2030 sollen Schätzungen zufolge rund 15 Millionen E-Autos über die Straßen rollen. Entsprechend wichtig ist es, dass es genug Ladesäulen gibt. Bei den Großen der Branche gehört die Ladestation auf dem Kundenparkplatz inzwischen fast zum Standard. Das Handelsinstitut EHI befragte im Frühjahr 59 Handelsketten und Einkaufszentren, ob sie Ladepunkte anbieten – und 71 Prozent antworteten mit Ja.
Nur für 14 Prozent der Befragten ist das Thema nicht relevant. Gründe hierfür sind zum Beispiel mangelnde Flächen in Innenstadtlagen oder gemietete Objekte, für die Vermieter zuständig sind. Bis 2024 plant mehr als ein 40 Prozent der Befragten, mindestens 50 weitere Ladestationen zu errichten. Dies und weitere Details veröffentlichte das EHI im Whitepaper „Elektromobilität im Handel 2023“, das kostenlos erhältlich ist.
Kundenbindung und Nachhaltigkeit im Fokus
Meistgenanntes Argument für die Ladestationen ist eine stärkere Kundenbindung. Hinzu kommt oft eine längere Verweildauer in den Geschäften – und die schlägt sich oft im Umsatz nieder. Bei einigen Geschäften ist die lange Verweildauer allerdings nicht mehr erwünscht. In vielen Stadtlagen begrenzen Märkte die Parkdauer auf 60 bis 90 Minuten, um mehr Autofahrern die Chance zu bieten ihr Fahrzeug zu laden. Dafür ist vielerorts die Ladeleistung gestiegen. Der Anteil der Stationen mit sogenannten High-Power-Chargern im Handel hat sich 2022 von 10 auf 21 Prozent erhöht.
Ein paar Beispiele über die Pläne der großen Handelsketten:
- McDonald’s: Ende 2022 hatte die Fast-Food-Kette vor 110 Filialen Ladestationen installiert. Bis 2025 soll es an über 1000 Standorten die Möglichkeit geben, das E-Auto mit Ökostrom zu laden.
- Aldi Süd: Aktuell betreibt der Discounter an rund 400 Filialen Ladestationen über 1000 Ladepunkte. Bis Ende 2024 soll die Anzahl der Ladestationen auf den Aldi-Parkplätzen bei über 1500 liegen. Teilweise kommt der Strom direkt von Photovoltaik-Anlagen auf den Filialdächern.
- Rewe: Die Supermarktkette bot 2022 bereits 90 Ladepunkte an 50 Standorten. Für die kommenden Jahren planen Rewe und EnBW den Ausbau auf Hunderte gemeinsame Standorte. Darüber kooperiert Rewe mit Shell. Bis 2024 wollen die beiden Unternehmen Ladestationen an 400 Filialen errichten.
- Bauhaus: Der Baumarkt will mit EnBW bis Ende 2023 an 106 von 156 Standorten High-Power-Charger mit bis zu 300 kW Ladeleistung installieren. Pro Filiale soll es drei bis vier Säulen geben.
Auch der Sportartikelhändler Decathlon will an 50 Standorten in Deutschland Ladesäulen erreichen. Die ersten zehn Filialen sollen noch 2023 ausgestattet werden. Für den Sportartikel-Hersteller steht dabei das Image als nachhaltiges Unternehmen im Fokus. „98 Prozent unserer Standorte werden mit erneuerbaren Energien versorgt. Bis 2026 sollen zudem alle unsere Produkte nach den Ecodesign-Kriterien produziert werden“, sagte Panagiotis Meichanetsidis, Nachhaltigkeits- und Energiemanager bei Decathlon Deutschland, bei der Vorstellung der Pläne. „Das Angebot der Ladesäulen ist ein weiterer Service, um ein umweltfreundlicheres Einkaufserlebnis bei uns abzurunden.“
Kaum noch Strom zum Nulltarif
Kostenlos, wie es noch vor ein oder zwei Jahren der Fall war, gibt es den Strom übrigens kaum noch. 71 Prozent der vom EHI befragten Händler lässt sich den Strom-Service nun bezahlen; 2022 waren es lediglich 42 Prozent. Auch der Anteil der Unternehmen, die den Ladestrom vergünstigt anbieten, ist von 26 auf 14 Prozent gesunken. Wo das Gratisladen abgeschafft wurde, fiel allerdings meist die Koppelung an die Öffnungszeiten weg.
Im Juni 2022 wurde das Laden zum Beispiel bei Aldi Süd kostenpflichtig, seit September 2022 bitten auch Lidl und Kaufland zur Kasse. Ursache waren unter anderem die stark gestiegenen Strompreise. Mit dem Ende des Gratisladens solle zudem der weitere Ausbau sowie die Instandhaltung der E-Ladestationen gewährleistet werden, begründete die Schwarz-Gruppe den Strategiewechsel.
Im Jahr 2020 hätten im Durchschnitt vier Elektroautos am Tag an einer E-Ladestation von Lidl ihre Akkus aufgeladen, bei Kaufland neun Autos. 2021 habe sich diese Anzahl bereits bei beiden Handelssparten verdoppelt. 2022 verzeichnete das Handelsunternehmen an Spitzentagen bei Lidl rund 15 und bei Kaufland rund 20 Ladevorgänge je Station.
Der Gesetzgeber macht Druck
Künftig werden sich auch kleinere Händler mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Dafür sorgt der Gesetzgeber. Seit 2021 sind viele Händler durch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) gesetzlich verpflichtet, Ladesäulen zu installieren. Bei Neubauten muss bereits ab sechs Stellplätzen ein Ladepunkt vorhanden sein und jeder dritte Stellplatz muss eine Leitungsinfrastruktur oder Leerverrohrung vorweisen. Im Zuge größerer Renovierungen bestehender Geschäfte muss ab zehn Stellplätzen ein Ladepunkt geschaffen werden. Spätestens ab 2025 müssen alle Geschäfte mit mindestens 20 Stellplätzen über einen Ladepunkt verfügen.
Doch damit nicht genug. Dier Entwurf der neuen EU-Gebäuderichtlinie fordert noch strengere Regeln. Die derzeit in Brüssel diskutierte Verschärfung der Vorgaben sieht vor, die Parkplätze neuer und renovierter Gebäude auf jedem fünften Stellplatz mit einer E-Ladesäule auszustatten und auf allen weiteren Stellplätzen eine passende Vorverkabelung vorzunehmen. Bei bestehenden Gebäuden soll jeder zehnte Stellplatz einen Ladepunkt erhalten.
Das sei unrealistisch, moniert der Handelsverband Deutschland (HDE) die EU-Pläne. „Eine Pflicht zum Aufbau von E-Ladesäulen ist für den Einzelhandel mit extrem hohen Kosten verbunden“, warnt Antje Gerstein, HDE-Geschäftsführerin Europapolitik und Nachhaltigkeit. „Nicht jeder Standort ist für die Installation von E-Ladesäulen geeignet. Händlerinnen und Händler müssen die Freiheit haben, sich beim Ausbau der Ladeinfrastruktur am Bedarf vor Ort zu orientieren.“ Für die meisten Händler sei der Betrieb von Ladeinfrastruktur kein rentables Geschäftsmodell, sondern vielmehr eine Serviceleistung für die Kundschaft. Der Einzelhandel sei als Betreiber von 15 Prozent aller öffentlich zugänglichen E-Ladepunkte Vorreiter beim Ausbau der Ladeinfrastruktur, unterstreicht der Verband. In Deutschland stehe jeder dritte Schnellladepunkt auf einem Handelsparkplatz.
Eine ganz andere Reform tritt am 1. Juli 2023 in Kraft. Dann müssen die Kunden an allen Ladepunkten oder in unmittelbarer räumlicher Nähe mit gängigen Debit- und Kreditkarten zahlen können. Vorher errichtete Automaten müssen allerdings nicht nachgerüstet werden. Die Erweiterung der Bezahlmöglichkeiten kann sich positiv auf mehr Kundenzufriedenheit mit dem jeweiligen Unternehmen auswirken.
Teure Anlagen, hohe Fördermittel
Eins gilt aber auch: Ladesäulen sind deutlich teurer als die Wallbox für die heimische Garage. „Je nach Voraussetzungen können die Kosten zwischen 10.000 und 20.000 Euro für eine Ladesäule mit zwei 22-kW-Anschlüssen liegen“, nennt die Beratungsgesellschaft Emobicon auf ihrer Website ein Beispiel.
Spezialisierte Dienstleister, die einen Komplettservice von der Planung bis zur Installation und Wartung anbieten, gibt es in großer Zahl. Teilweise sind dies Hersteller der technischen Anlagen, teilweise Stromanbieter wie EnBW. Auch die Sparkassen-Finanzgruppe ist in diesem Bereich tätig. Die Sparkassen-Einkaufsgesellschaft (SEG) stattet unter anderem Sparkassen und kommunale Unternehmen mit Ladestationen sowie Bezahllösungen aus – auf Wunsch sogar mit S-Cashback.
Händler, die eine Ladestation aufbauen wollen, können unter Umständen Fördermittel beantragen. Bis Ende 2022 gab es die Möglichkeit, bei der KfW einen Förderantrag zu stellen. Aktuell ist das Programm ausgelaufen. Dennoch lohnt es sich, im Auge zu behalten, ob das Programm „Ladestationen für Elektrofahrzeuge – Unternehmen (441)“ wiederaufgelegt wird.
Einige Bundesländer bieten allerdings weiterhin Fördermittel an. Aktuell sind dies Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen:
- Bayern gewährt zum Beispiel bis zu 25.000 Euro in seinem neuen Förderprogramm, für das sich Unternehmen bis Ende Juni 2023 bewerben können
- Nordrhein-Westfalen hat das Förderprogramm „Emissionsarme Mobilität“ aufgelegt, für das noch bis zum 30. Juni 2024 Anträge gestellt werden können.
- In Berlin werden sogar unter Umständen bis zu 30.000 Euro Zuschuss gewährt. Näheres dazu im Programm „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“ (Welmo)
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