Ob Körperlänge, Schuhgröße oder Gewicht – wer nicht der Norm entspricht, fällt leicht aus dem Raster üblicher Bekleidungsgeschäfte. Nicht so im Kaufhaus Schwalbach im hessischen Laubach. Dort gibt es auf 740 Quadratmetern Verkaufsfläche Kleidung bis zur Extremgröße 10XL. „Das ist aber die Ausnahme, 5XL ist schon häufiger“, sagt Kaufhaus-Chef Björn Hofmann. Der 40-Jährige übernahm das Mode- und Outdoorkaufhaus im Landkreis Gießen von seinem Großvater, der es nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet hatte. Im S-Cashback-Magazin erzählt er, warum sein kleines Kaufhaus so erfolgreich ist.
Interview: Gunnar Erth
S-Cashback-Magazin: Herr Hofmann, wann wurde Ihr Kaufhaus eröffnet?
Björn Hofmann: 1949. Mein Großvater hat nach dem Krieg für die Amerikaner in Gießen im Depot gearbeitet. Dort gab es regelmäßig einen Überhang an Stegwaren – also Artikel, die für die amerikanischen Truppen bestimmt waren. Die hat er gekauft, ist dann mit dem Fahrrad über die Dörfer gefahren und hat sie dort verkauft. Das kam gut an, denn nach dem Krieg gab es kaum neue Sachen. Anfangs managte er das Geschäft aus dem heutigen Badezimmer meines Elternhauses. Später hat er zuerst neben seinem Haus einen 80 Quadratmeter großen Laden gebaut, und danach noch ein Haus mit einem Spar-Lebensmittelladen. Das war einer der ersten Selbstbedienungsläden – und das in einem Dorf mit 600 Einwohnern! Mit der Zeit wuchs das Sortiment seines kleinen Kaufhauses und um 1960 herum zog das Geschäft nach Laubach.
Wie sind Sie in das Kaufhaus eingestiegen?
Ich bin gelernter Bankkaufmann, meine Ausbildung habe ich bei der Sparkasse Laubach-Hungen gemacht! Anschließend habe ich bei der Sparkassenversicherung im Nachbarort Grünberg gearbeitet. Als mein Großvater 2006 das Kaufhaus nicht mehr weiterführen wollte, habe ich gesagt: „Ich mache mit, lass es uns probieren.“ 2008 habe ich es dann übernommen – da war ich 25.
Unternehmergeist hatten Sie aber schon früher entwickelt, stand in einer Zeitung…
Das stimmt. Mit 16 oder 17 habe ich angefangen, online Handyverträge zu verkaufen. Das Geschäftsmodell: Ich habe einen Teil meiner Vermittlerprovision bar an die Endkunden ausgeschüttet. Das war ein ganz erkleckliches Geschäft. Ich war noch so jung, dass meine Eltern noch die Gewerbeanmeldung mitunterschreiben mussten.
Was hat den Unternehmergeist bei Ihnen so früh geweckt?
Ich wollte ein Auto haben und dachte mir: Wenn ich mir etwas leisten will, muss ich dafür etwas tun. Ich habe auch schon mit zwölf Jahren angefangen, Zeitungen auszutragen – bis ich 19 war. Und wenn ich am Samstag auf einer Party gewesen war und nur zwei Stunden geschlafen hatte, bin ich trotzdem am Sonntag früh aufgestanden und habe die Zeitungen ausgetragen.
„Mit 16 oder 17 habe ich angefangen, online Handyverträge zu verkaufen.“
Und jetzt sind Sie Kaufhauschef. Apropos: Überall schließen die Kaufhäuser in Deutschland, Sie trotzen dem Trend. Wie geht das?
Man kann uns nicht mit einem großen Kaufhaus wie Galeria vergleichen. Wir sind vor allem ein Textil-, Sport- und Outdoorkaufhaus. Aus Tradition haben wir auch eine Ecke mit Militärartikeln. Und dann haben wir natürlich als besonderes Merkmal die Übergrößen.
Haben Sie viel am Konzept geändert, seit Sie das Geschäft 2008 übernommen haben?
Ich führe es im Großen und Ganzen fort wie vorher. Was ich ein bisschen ausgebaut habe, ist das Firmenkundengeschäft. Die Unternehmen kaufen vor allem Sicherheitsschuhe und Arbeitsbekleidung. Und wir arbeiten auch mehr mit Vereinen und Feuerwehren. Wir machen heute auch mehr Direktbelieferungen.
Was für Vereine sind das?
Überwiegend Sportvereine. Es sind auch Fußballer dabei, aber um die muss man sich sehr bemühen. Ich kümmere mich insbesondere gerne um Nischenvereine, vom Kegelklub über Turner bis zu Bogenschützen. Um die kümmert sich oft kein Händler, dabei sind es sehr dankbare Kunden. Zuletzt hatten wir einen Rhönrad-Verein hier!
Was nehmen die Vereine ab?
Trikots, Trainingsanzüge, Shirts aller Art und Schuhe fürs ganze Team. Oft veredelt dann noch ein Kooperationspartner die Trikots mit Aufdrucken.
Was haben Sie für Outdoorartikel?
Fast alles, von der Taschenlampe über Spirituskocher und Schlafsäcke bis zu den Zeltheringen. Dazu haben wir immer einige ausgefallene Artikel. In den letzten Wochen waren zum Beispiel Schuhspikes der Renner.
Ihr Kaufhaus ist ja für seine Übergrößen bekannt. Ist das ein wichtiger Bestandteil Ihres Sortiments?
Ja, ich habe insbesondere viele meiner Firmenkunden so gewonnen. Denn im Arbeitsbekleidungsbereich gibt es zwar viele Player am Markt, aber die verkaufen oft nur Standardgrößen. Viele Firmen haben Mitarbeiter, die aus dem Raster fallen – die etwa Schuhgröße 50 oder breite Füße haben. Und die diese Firmen schickt die Mitarbeiter zu uns. Und wenn das gut läuft, lässt so manche Firma alle Mitarbeiter bei mir ausstatten.
Sie bieten ja Waren bis Größe XXXXXXXXXXL…
Ja, aber das ist eher die Ausnahme. Aber 3XL bis 5XL geht bei uns schon ziemlich gut. Ab 8XL bestellen viele dann doch eher online.
Wie hat sich das Geschäft mit den Übergrößen denn entwickelt?
Es fing mit meinem Opa an. Mein Opa war 1,92 Meter groß war, hatte Schuhgröße 51 und Probleme, die passende Kleidung zu bekommen. Er war nicht jetzt sehr dick, aber er war halt sehr groß und hatte große Füße. Viele Läden schauen nur nach Kennzahlen und bedienen diese Zielgruppe nicht. Denn wenn etwas nicht stark nachgefragt wird, dann wird es aus dem Sortiment genommen. Ich gönne mir halt den Luxus und schaue nicht immer sofort nach den Kennzahlen. Natürlich ist das kapitalintensiv, aber am Ende des Tages dankt es der Kunde. Gerade bei den Übergrößen habe ich einige Kunden, die einmal im Jahr von weit weg zu mir kommen – etwa aus dem Ruhrgebiet oder aus Berlin. Die kaufen dann natürlich nicht nur eine Hose, die kaufen dann auch mal fünf oder sechs.
Oft ist Kleidung in Übergrößen, die man auf der Straße sieht, nicht besonders elegant. Ist das Angebot so gering?
Als ich 2008 angefangen habe, war es tatsächlich leider relativ monoton. Aber es ist in den letzten Jahre viel, viel besser geworden. Einige Lieferanten haben zwar die Segel gestrichen, aber die, die übrig geblieben sind, haben erkannt, dass man mehr auf die Mode achten sollte. Ich habe zum Beispiel einen Lieferanten, der macht klasse T-Shirts mit Rockbands in Übergrößen – von ACDC bis Kiss. Auch im Jackenbereich gibt es schicke Sachen, etwa Skijacken mit Größe 80.
„Man darf einfach keinen Menschen nach seinem Äußeren beurteilen.“
Man kann bei Ihnen Bodyshaming-Ängste überwinden, hat eine Zeitung mal über Ihr Kaufhaus geschrieben…
Das hat der Redakteur sehr schön formuliert. Und es ist auch so. Denn oft wird man ja im Handel oberflächlich abgeurteilt. Mir ist es persönlich mal so gegangen, wenn auch in ganz anderer Hinsicht. Ich wollte mir einen Mercedes kaufen und bin in Arbeitsklamotten hingefahren, weil ich gerade etwas Handwerkliches machte. Der Mercedes-Händler hat mich von oben bis unten gemustert. Da hab ich schon gemerkt, der hat mich schon vorverurteilt, obwohl ich mir das Auto ohne Finanzierung leisten konnte. Da hat es bei mir Klick gemacht. So will sich doch keiner fühlen, wenn er einkaufen geht! Man darf einfach keinen Menschen nach seinem Äußeren beurteilen. Und das bringe ich meinen Mitarbeitern auch immer bei. Und das macht es aus, dass die Leute gerne zu uns kommen.
Sie hatten die Militärartikel erwähnt. Was gibt es da bei Ihnen?
Überwiegend Textilien, etwa den Feldjacken-Klassiker M65 – das Modell hat zum Beispiel Kommissar Schimanski immer getragen. Davon verkaufen wir im Jahr bestimmt 200 Stück davon. Ein Renner ist die Bundeswehrunterwäsche. Wer mal bei der Bundeswehr war, der weiß, dass es da zum Beispiel gute, preiswerte Unterwäsche gab, die richtig warmhält. Die können sie bei 90 Grad waschen, geht nicht gleich kaputt und ist nicht teuer. Und auch wenn es keiner offen zugibt, aber die langen Unterhosen mit Plüschfutter sind auch beliebt. Oder auch lange Unterhemden – die kaufen gern Handwerker, die nicht möchten, dass das Hemd bei der Arbeit aus der Hose rutscht.
Und diese Mischung im Sortiment kommt an?
Ja, wir hatten eigentlich immer Erfolg. Wir bemühen uns auch sehr um die Kunden, etwa indem wir auch viel Ware auf Wunsch bestellen. Wir haben aufs Jahr gesehen rund 1000 Bestellungen von Privatkunden. Ich habe auch Altenheime als Kunden. Die nehmen dann Waren zur Auswahl für ihre Bewohner mit, probieren sie mit ihnen an, bringen sie wieder und bezahlen sie dann oder wir schicken eine Rechnung. So einen Service bietet manch anderer gar nicht an.
Rechnet sich dieser große Aufwand für Ihr Kaufhaus? Das ist ja das Gegenteil von Skalierung…
Ich weiß, in Ratgebern heißt es immer: skalieren, skalieren, skalieren. Teilweise machen wir das auch. Und teilweise wird man auch ausgenutzt, etwa wenn der Kunde nach einer intensiven Beratung bei uns woanders online kauft. Aber kompetente Mitarbeiter, die wirklich gut beraten können, sind nun einmal das größte Pfund. Und die habe ich. Ich habe zudem das Gefühl, dass Beratung heute wieder mehr geschätzt und honoriert wird. Aber wir haben auch einen Onlineshop, den wir gerade überarbeiten.
„Ich habe das Gefühl, dass Beratung wieder mehr honoriert wird.“
Wie groß ist Ihr Einzugsgebiet?
Die meisten Kunden wohnen im Umkreis von 50 bis 60 Kilometern. Ich bin ja auch nicht der einzige am Markt. Wir haben auch Kunden aus dem Speckgürtel von Frankfurt und bis knapp vor Kassel. Auch einige Stammkunden, die weggezogen sind, halten uns immer noch die Treue.
Ihr Kaufhaus ist ja vor kurzem innerhalb von Laubach umgezogen. Warum?
Es ergab sich die günstige Gelegenheit, in einen ehemaligen Aldi-Markt umzuziehen, der aber noch sehr gut in Schuss ist. Und unsere Ladenfläche hat sich fast verdoppelt.
Wie sind Sie denn mit dem neuen Standort zufrieden?
Super! Er wird gut angenommen. Vorher hatten wir ein Parkplatzproblem und jetzt habe ich mit rund 100 fast schon zu viele Parkplätze [lacht]. Und ich habe vor allen Dingen jetzt auch endlich einen barrierefreien Zugang! Und der ganze Markt ist eingeschossig. Allein in der Eröffnungswoche waren mindestens zehn Leute mit Rollstühlen da.
Letzte Frage: Warum machen Sie bei S-Cashback mit?
Mein Firmenkundenberater bei der Sparkasse Laubach-Hungen hat mich darauf angesprochen. Ich sehe darin eine interessante Werbemaßnahme – und gerade im Marketing man muss immer etwas Neues ausprobieren.
Kontakt
Kaufhaus Schwalbach, Philipp-Reis-Str. 16-18, 35321 Laubach, Telefon 06405 6368, Internet: kaufhaus-schwalbach.de. Sparkassen-Kunden mit S-Cashback erhalten 1 Prozent Cashback auf alle Umsätze ab 10 Euro bei Zahlung mit einer Sparkassen-Card (Debit- oder Kreditkarte).